Vor einigen Wochen entschied ich mich dazu, ein Praktikum im Unverpacktladen unserer Stadt zu machen, um einen Einblick in die Arbeit eines nachhaltig orientierten Unternehmens zu bekommen. Dabei durfte ich nicht nur selbst in allen Arbeitsbereichen mit anpacken, sondern auch etwas über die Bestellrythmen, die verschiedenen Lieferanten und das umfassende Konzept eines Unverpacktladens lernen. Ich möchte euch hier die wichtigsten Fragen und Antworten vorstellen und einige schöne Erfahrungen teilen.
Die Geschichte des Unverpacktladens
Der Laden wurde vor drei Jahren als erster Unverpacktladen im Saarland von Birgit, einer gelernten Industriekauffrau, eröffnet und ist mittlerweile ziemlich bekannt in Saarbrücken. Er entstand aus dem Wunsch heraus, selbstständig tätig zu sein und dabei mit der Arbeit etwas Sinnvolles und Gutes zu unterstützen und voranzutreiben. Vor drei Jahren wurden gerade die ersten Unverpacktläden in Deutschland eröffnet, die Idee war dort noch relativ neu und im Saarland noch nicht angekommen. Mit der Nachfüllbar Saarbrücken gründete Birgit dann den ersten Unverpacktladen im Saarland. Mittlerweile wurde ein weiterer eröffnet und drei weitere stehen kurz davor.
Was wird im Laden angeboten?
Der Unverpacktladen bietet vor allem Trockenlebensmittel an, also so etwas wie Nudeln, Reis, Mehle, Müsli, Backzutaten, Gewürze, Kaffee, Tee, Süßigkeiten und Nüsse. Außerdem gibt es auch Öle, Essige, Honig, Marmeladen, Chutneys und Aufstriche zum Abfüllen oder in Gläsern zu kaufen. Milchprodukte wie Joghurt, Milch und Käse werden neben Obst und Gemüse auch angeboten. Natürlich gibt es auch noch Haushalts- und Kosmetikprodukte wie Edelstahlflaschen und -Dosen, Spülmittel, Waschmittel, Seifen, Zahnbürsten, Toilettenpapier sowie Backwaren wie Brote, Nussecken und Kuchen.
Woher stammen die Produkte?
Ein Großteil der Trockenprodukte wird von zwei Großhändlern für Naturkost (Bananeira und Bode) bezogen, das Obst und Gemüse von zwei regionalen Anbietern. Joghurt, Quark und ein Teil des Käsesortiments werden von einem regionalen Milchbauern geliefert. Genähte Produkte wie Binden, Abschminkpads und Stofftaschentücher werden von einer saarländischen Schneiderin produziert und speziellere Dinge wie Flaschen, Bücher oder Zahnpflegeprodukte werden von kleinen Unternehmen, die sich auf eine bestimmte Art von Produkten spezialisiert haben, geliefert (bspw. Hydrophil, sonett).
Nicht alle Produkte stammen außerdem aus der Region. Produkte wie Nüsse, Datteln und Zucker kommen selbstverständlich aus anderen Ländern und werden bei den genannten Großhändlern bestellt. Es wird jedoch gerade in solchen Fällen darauf geachtet, dass diese Produkte fairtrade-zertifiziert sind.
Wie werden die Produkte geliefert?
Ein Großteil der Trockenlebensmittel wie Nudeln, Mehle und Reis wird in 10- bis 25 kg-Papiersäcken geliefert. Produkte wie Nüsse, getrocknete Früchte und Gummibärchen werden in etwas kleineren Mengen (meistens in 5kg-Säcken) verschickt und kommen teilweise auch in Plastikverpackung an. Dies ist vor allem bei Nüssen, Crunchy Müsli und Gummibärchen der Fall, da diese in einer alternativen Verpackung ihren Biss verlieren oder hart werden würden. Einige Produkte wie flüssige Haushaltsmittel und Öle werden in Pfand-Kanistern geliefert, die wieder an das Unternehmen zurückgeschickt und dort aufgefüllt werden. Joghurt, Sahne und Quark werden in Pfandgläsern geliefert, die auch wieder an die Molkereien zurückgesendet und wiederaufgefüllt werden. Viele kleine Artikel wie Zahnbürsten, Schwämme und Flaschen werden außerdem in Pappverpackungen und Pappkartons geliefert. Das Obst und Gemüse kommt in rechteckigen Mehrwegkörben aus Hartplastik und wird bei jeder neuen Lieferung zurückgegeben.
Fällt GAR kein Plastikmüll an?
Doch, auf jeden Fall. Es ist leider immer noch nicht gänzlich vermeidbar. Wie gesagt brauchen einige Produkte eine (vakuumierte) Plastikverpackung, um ihre Konsistenz beizubehalten oder frisch zu bleiben. Selbst wenn man sich dagegen entscheidet, diese Produkte ins Sortiment aufzunehmen, so fällt trotzdem noch Plastikmüll an, wie etwa durch Palettenlieferungen, die immer mit einer Art Frischhaltefolie umbunden werden, damit alles stabil bleibt. Oftmals befinden sich in Lieferungen auch Füllmaterial aus Plastik und meistens kommt auch immer noch das Standard-Plastikpaketband zum Einsatz. Wenn ich mich recht erinnere, fielen in etwa zwei gelbe Säcke pro Woche an. Für einen Einzelhandel ist das wirklich gut. Alles in allem habe ich daher den Eindruck, dass sich schon sehr darum bemüht wird, so wenig Plastik wie möglich zu erzeugen und dies auch mit den jeweiligen Unternehmen zu kommunizieren.
Wie werden die Produkte gelagert?
Im Lager wurde bei uns ein Hauptteil der trockenen Lebensmittel so gelagert, wie sie ankommen- in Papiersäcken oder in Pfandgläsern auf Regalen gestapelt. Angebrochene Säcke werden in große Plastikeimer gefüllt, in denen sie aufbewahrt werden, um das Risiko von Schädlingsbefällen in offenen Packungen (bspw. durch Lebensmittelmotten) zu vermeiden. In einem Zwischenraum wurden alle Produkte, die keine Lebensmittel sind, in alten Pappboxen übereinander gestapelt gelagert. Dort befinden sich die Zahnpflegeprodukte, Bücher, Bürsten, Seifen und auch die Kanister mit den flüssigen Hygieneartikeln. In Kühlschränken werden die Milchprodukte und die Nussecken aufbewahrt, das Obst und Gemüse wird jeden Tag über Nacht in einem kleinen Kühlhaus untergebracht. Alles andere bleibt über Nacht in den Behältnissen.
Sind Unverpacktläden automatisch biozertifiziert?
Nein, sind sie nicht. Der Laden, in dem ich mein Praktikum machte, ist beispielsweise nicht biozertifiziert und hat auch einige Produkte wie Eier, Erdbeeren oder vereinzelte Gemüsesorten, auf die dies nicht zutrifft. Birgit meinte dazu, dass sie sich in diesen Fällen bewusst dafür entschieden hatte, da die Regionalität und Saisonalität für sie überwog und sie sich vor Aufnahme ins Sortiment stets selbst ein Bild macht und recherchiert. Werden die Hühner unter guten Umständen gehalten oder die Erdbeeren bspw. nur ein einziges Mal bis zur Ernte gespritzt, so ist dies für sie vertretbar und kann ins Sortiment aufgenommen werden. Auch sehr kleine Unternehmen der Region möchte sie unterstützen.
Da die Unverpacktläden alle unabhängig voneinander existieren, haben sie alle auch ein unterschiedliches Konzept und einen unterschiedlichen Fokus. Einige Unverpacktläden bieten vielleicht ausschließlich Faitrade- und Bioprodukte an, andere fokussieren sich auf vegetarische und vegane Produkte, andere nehmen nur Produkte ins Sortiment, die gänzlich ohne Plastik auskommen. Da gibt es bestimmt ganz unterschiedliche Schwerpunkte und Konzepte.
Wieso sind die Produkte so teuer?
Die Preise sind tatsächlich ziemlich hoch, vor allem wenn man als Familie einkaufen möchte oder als Student/in oder Schüler/in wenig Budget hat. Zum einen kommt dies dadurch, dass die Einkaufspreise von fairtrade- und biozertifizierten Lebensmitteln an sich schon teurer sind. Die Preise sind vergleichbar mit denen eines herkömmlichen Bioladens. Der Hauptgrund liegt aber bei der Tatsache, dass Einzelhandelsunternehmen nur kleine Mengen bestellen und somit nicht viel Mengenrabatt bekommen. Und um als Einzelhandel genügend Gewinn zu machen, müssen dann auf die Einkaufspreise noch einmal ungefähr 40 Prozent draufgelegt werden. Ein paar Produkte sind aber auch mindestens genauso teuer oder auch leicht billiger als im herkömmlichen Handel, da sie in größeren Kanistern beim Anbieter gekauft wird und dadurch hochgerechnet billiger verkauft werden können.
Hier mal ein paar Beispiele für die Preise für 100g: Nudeln 0,40€, Müsli 0,85€, Studentenfutter ca. 2,30€, Mehl 0,39€, Tomaten ca. 0,75€.
Mein Fazit
Alles in allem hatte ich dort eine schöne Zeit und konnte durch die Einblicke ein bisschen besser einschätzen, was hinter dem Unverpackt-Konzept steckt. Ich persönlich finde sowohl die Idee als auch die Umsetzung des Ganzen sehr gut gelungen. Ich habe in vielen Details und in den Antworten der Befragten gemerkt, dass sie sich wirklich Gedanken machen und die Absicht haben, mit solch einem Laden einen Beitrag für ein nachhaltigeres Leben zu leisten. Ich habe auch gemerkt, dass es einen großen Unterschied macht, in einem Unverpacktladen einzukaufen statt in herkömmlichen Supermärkten. Die Menschen wirken entspannter, man kommt sehr oft ins Gespräch mit den Kunden, einige schauen nahezu täglich vorbei und haben schon fast ein freundschaftliches Verhältnis zu den Mitarbeitern. Alles wirkt entschleunigt, menschlicher und bewusster- allein durch die Tatsache, dass man gezwungen ist, sich mehr mit den Produkten, die man kauft, zu beschäftigen: man muss sie abfüllen, man kann sich über die Herkunft und die Qualität informieren, man kann probieren, bevor man kauft. Aber nicht nur im nachhaltigen Sinne hat mich das Konzept überzeugt: Solch ein Laden bietet auch Raum und Möglichkeiten für soziale Bemühungen. Vor der Corona-Zeit wurden einige Male im Jahr Workshops und ein gemeinsames Kochen angeboten, die gemahlenen Kaffeereste der Kaffeemühle werden aufbewahrt und der Kältehilfe gespendet, Milch und Sahne werden nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums nicht weggeworfen sondern ebenso den Obdachlosen gespendet. Angeschlagenes Obst und Gemüse wird nicht weggeworfen, sondern zum kostenlosen Mitnehmen angeboten.
Für einige ist der Unverpacktladen auch eine Anlaufstelle für eine genüssliche Pause geworden: Ein älterer Mann, der im Rollstuhl sitzt, kam etwa ein mal die Woche vorbei, um in aller Ruhe einen Espresso zu genießen und dann weiter zu fahren; eine Stammkundin verband ihren Einkauf immer mit einem längeren Gespräch mit den Mitarbeitern. Auch die Auswahl der Mitarbeiter war in meinen Augen ein soziales Statement: Es arbeiten im Unverpacktladen Menschen aus den verschiedensten Schichten, mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten und unterschiedlichstem Aussehen. Das fand ich besonders schön. Und auch zu mir sagte Birgit bei unserem ersten Gespräch: „Du kannst dich während des Praktikums kleiden, wie du magst, ich schreibe da niemandem etwas vor. Wir sind hier ganz entspannt und tolerant.“ Und so wurde ich auch während meiner gesamten Zeit sowohl von den Mitarbeitern als auch von den Kunden behandelt.
Insgesamt war es eine sehr lehrreiche Zeit und ich bin dankbar dafür, dieses Praktikum gemacht zu haben, da ich dadurch täglich mit Nachhaltigkeit, Genügsamkeit und Selbstreflexion konfrontiert war. Solltest du einen Unverpacktladen in deiner Nähe haben, so lohnt es sich vorbeizuschauen, auch wenn du wenig oder kein Geld hast. Mitnehmen kannst du eigentlich immer etwas- seien es die kostenlosen Kräuter vor dem Laden, eine angehauene Banane oder ein ungezwungenes Gespräch. Und wenn ich eines gelernt habe im Praktikum: Lerne, die Lebensmittel wertzuschätzen. Mache dir bewusst, wie lang es dauert, bis du eine Tomate im Laden kaufen kannst, welchen Aufwand dies kostete und wie viel Kosten dahinter stehen- vor allem, wenn das Ganze noch mit ruhigem Gewissen konsumiert werden soll. So etwas hat seinen Preis und tut dann auch ziemlich weh, da wir die Spottpreise der Discounter gewöhnt sind. Kaufe weniger, aber dafür bewusst und mit dem Wissen, wo es herkommt, ob es bio oder fairtrade ist und wer genau es produziert hat. Unterstütze nicht nur biozertifizierte und unverpackte Produkte, sondern auch das gesamte Konzept, das dahinter steht. Denn jetzt weiß ich, dass da noch viel mehr dahintersteckt. Ab jetzt nehme ich mir also vor, öfters im Unverpacktladen einzukaufen und meinen bisherigen Konsum vollständig zu hinterfragen.