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Gedankenreflexion

Pfingstmontag. Ein erholsames, aber arbeitsintensives Wochenende geht zu Ende. Ich habe endlich wieder Zeit gefunden, die letzten Wochen revue passieren zu lassen und meine Gedanken zu sortieren.

Die Zeit vergeht so unglaublich schnell, merke ich immer wieder. Als Kind konnte ich diesen Satz, den die „Erwachsenen“ des öfteren zu sagen pflegten, nicht nachvollziehen. Doch mittlerweile verstehe ich ganz genau, was sie damit meinten: Vor gefühlt wenigen Augenblicken fing das Sommersemester an, dann der Fastenmonat Ramadan, gefolgt von Seminaren, Projekten und Vorträgen an der Uni. Und im nächsten Augenblick ist all das schon wieder vorbei und ich finde mich am Anfang meiner Prüfungsvorbereitung wieder. Die Zeit fliegt.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass alles viel zu schnell geht und das Erlebte aufgrund der Menge an Erlebnissen gar nicht verarbeitet, sondern von meinem Kopf schlichtweg kommentarlos hingenommen und heruntergeschluckt wird. Das Ganze sammelt sich mit der Zeit und entwickelt sich zu einem chaotischen Knäuel aus unzähligen Erfahrungen, die verbindungslos und doch zusammengeknotet irgendwo in meinem Inneren darauf warten, von mir sortiert und reflektiert zu werden…

Deshalb ist es wichtig, ab und zu für einen kurzen Moment inne zu halten, die Augen zu schließen und in das eigene Herz zu schauen- Reflexion als Bewusstseinsübung, als Selbsterkenntnis. Denn nur dann, wenn ich meine eigenen Erlebnisse, Handlungen und Gedanken reflektiere, kann ich bewusst auf sie eingehen und aus ihnen lernen. Nur dann kann ich erkennen, wie klein und wozu ich dennoch fähig bin, welch Privilegien ich besitze und wie dankbar ich sein müsste. Nur dann kann ich mein Gedankenknäuel entwirren und mich als Mensch verbessern. Nur dann kann ich meinem Herzen lauschen und innere Ruhe erlangen.

Solch eine Reflexion kann bspw. kurz vor dem Schlafengehen in Gedanken passieren, oder auch in einem Tagebuch. Tagebücher eignen sich sehr gut, Gedanken und Erlebnisse ausführlicher festzuhalten. Dies hat auch den Vorteil, dass man sich die Entwicklung der eigenen Reflexionen immer wieder anschauen kann. Eine tolle Idee ist es bspw. auch, jeden einzelnen Tag in ein bis zwei Sätzen revue passieren zu lassen. Sogenannte Fünf- oder Zehnjahrestagebücher bieten für jeden Tag eine kleine Spalte, in die das Erlebte eingetragen werden kann. Ich habe zu Beginn meines Studiums ein Fünfjahrestagebuch begonnen, um darin vor allem meine akademische Entwicklung zu dokumentieren. Dafür benötigt man jedoch eine Menge Disziplin, die ich zugegebenermaßen nicht immer habe. Aber es ist dennoch sehr spannend zu sehen, welche Fragen mich im Laufe der Zeit umtrieben haben und was ich so Tag für Tag oder Woche für Woche erlebt habe. Es hilft auch dabei, das Erlebte in Erinnerung zu behalten. Beim Durchlesen meiner Tagebücher ist es immer wieder vorgekommen, dass ich auf längst vergessene Erlebnisse und Gedankengänge gestoßen bin, die ich aus meiner heutigen Sicht vermutlich anders beurteilen und angehen würde als früher. Tagebücher halten in einer gewissen Weise also auch die eigene persönliche Entwicklung fest…

Wie kann man den Tag revue passieren lassen und ihn reflektieren?

Mir hilft es, vor dem Schlafengehen bestimmte Fragen zu stellen. Mit der Zeit wird es dann zur Routine. Solche Fragen können bspw. lauten:

  • Was ist heute passiert/ was habe ich erlebt?
  • Was habe ich heute gelernt?
  • Welche Fragen habe ich? Welche Gedanken und Sorgen habe ich?
  • Wie habe ich heute gehandelt? Was war gut, was war verbesserungswürdig?
  • Welche Ziele setze ich mir für meine nächsten Handlungen und für den nächsten Tag?
  • Wofür bin ich heute dankbar?

Diese Fragen können natürlich auch in Tagebucheinträgen „abgearbeitet“ werden. Ich persönlich lasse in Tagebüchern aber gern meinen Gedanken freien Lauf, ohne sie großartig zu sortieren. Dies gibt Raum für einen ungezwungenen, freien Ausdruck der eigenen Gefühle und Gedanken und kann eine ziemlich befreiende und auch therapeutische Wirkung haben- ebenso wie Kunst und Musik.

Also, nimm dir morgen abend einfach einen Moment vor dem Schlafengehen und versuche, dein Erlebtes zu sortieren. Was war wichtig, was bleibt dir als unbeantwortete Frage und was beschäftigt dich?

Reflexion ist die Voraussetzung für Selbsterkenntnis und diese wiederum, laut islamischer Überlieferung, für Gotterkenntnis. Daher sowohl für gläubige als auch nichtgläubige Menschen eine essentielle Bewusstseinsübung. Denn wenn man sich nicht über sich selbt im Klaren ist und sich selbst nicht hinterfragt, entsteht viel Unüberlegtes, das nicht als unüberlegt erkannt wird. Und wenn dies vielen Menschen passiert, werden solche Gedanken salonfähig- und dann haben wir ein Problem. Und genau das haben wir bereits. Und an dieser Stelle ist jeder Einzelne gefragt- Selbstreflexion ist das Stichwort!

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